Jeder Mensch ist auf spezielle Weise einzigartig. Jeder Mensch hat eine individuelle Geschichte – Erfahrungen und Erlebnisse, die ihn*sie geprägt haben. Manche Menschen jedoch haben deutlich höheres Kotzbrockenpotenzial als andere. Dazu gehören Narzisst*innen.

Es mangelt ihnen, vereinfacht formuliert, an Empathie, Einfühlungsvermögen und menschlicher Wärme, sie haben ein höchst fragiles Ego, das stets nach Anerkennung lechzt. Sie sind leicht gekränkt und eingeschnappt, sie benutzen andere Leute, um ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen.

Falls dir das im Zusammenhang mit deinem*deiner Partner*in bekannt vorkommt, könnte es sein, dass du dich in einen narzisstisch veranlagten Menschen verliebt hast. Und das kann auf Dauer zu einem Problem werden.

Was ist Narzissmus?

Allgemein gesagt beschreibt der Begriff Narzisst*in jemanden, der*die als arrogant, selbstsüchtig und kritikunfähig wahrgenommen wird. Ursprünglich geht das Wort auf eine Figur aus der griechischen Mythologie zurück. Narziss war der schöne Sohn eines Flussgottes, der sich aufgrund eines göttlichen Fluches in sein eigenes Spiegelbild verliebte und schließlich vor Liebeskummer verging, woraufhin er sich in eine Narzisse verwandelte.

Genau das ist das Schmerzhafte mit Narzisst*innen. Egal, worum es geht – eigentlich geht es um sie. Ausschließlich und jederzeit.

"Narzisstische Menschen zeichnen sich durch eine extreme Selbstbezogenheit aus, sind aber auch sehr anziehend", erklärt die Psychotherapeutin Dr. Bärbel Wardetzki, die Bücher zum Thema Narzissmus geschrieben hat. "Sie sind sozial aufgeschlossen, eloquent, aber sehr schwierig im persönlichen Umgang."

Wie sich der schwierige persönliche Umgang im Alltag unter anderem konkret zeigt, erklärt Dr. Wardetzki so: "Sie sprechen lieber von sich, als sich auf das Gegenüber zu beziehen, erwarten immerwährende Beachtung und Aufmerksamkeit und sind sehr leicht kränkbar. Auch neigen sie dazu, andere Menschen abzuwerten."

Wenn dein*e Partner*in also nie ernsthaft wissen will, wie es dir geht, sondern das Gespräch direkt wieder auf sich selbst lenkt; wenn er*sie auf uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Bewunderung besteht und das auch immer wieder einfordert, wenn er*sie die eigenen Leistungen größer darstellt, als sie sind oder der Meinung ist, ständig von allen verkannt und unterschätzt zu werden, wenn er*sie sich kontinuierlich mit anderen vergleicht und häufig neidisch ist, wenn er*sie sich für einzigartig hält, bei Kritik oder gefühlter Ablehnung schnell eingeschnappt ist, lügt ohne rot zu werden, und dann und wann süffisante bis fiese Sprüche ablässt – dann führst du wahrscheinlich eine Beziehung mit einer narzisstisch veranlagten Person.

Narzisstische Menschen setzen Umwelt und Wahrnehmung viel mehr als andere in Verbindung mit sich selbst und deshalb ist nur das wichtig, was gerade ihren eigenen Bedürfnissen dient.

Zwar nimmt jeder Mensch die Welt aus der eigenen Perspektive wahr, das liegt in der neurologischen Natur der Dinge, aber die meisten sind grundsätzlich in der Lage, sich bis zu einem gewissen Grad in andere hineinzuversetzen, Mitgefühl zu empfinden, das Ego kurz hintenanzustellen.

Nicht so narzisstische Menschen. Alles, was nicht unmittelbar mit ihnen zu tun hat, existiert quasi nicht oder nur am Rande. Sie sind die Sonne in ihrem eigenen Universum. Und eigentlich auch die Planeten. Plus alle Sterne.

Woher kommt die narzisstische Veranlagung?

Das heißt nicht, dass alle Narzisst*innen per se üble und schlechte Menschen sind – die Ausprägung kann auch stärker oder schwächer, offener oder verdeckter sein – aber die Persönlichkeitsstruktur, die sich im Laufe von Kindheit und Jugend gebildet hat, hat sich um ihr kaum oder nicht vorhandenes Selbstwertgefühl gerankt und soll es stützen und schützen, alles andere ist dem unterzuordnen.

Besonders zwischenmenschliche Beziehungen sind ein Mittel, um das Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten und zu regulieren. Narzisstische Personen wählen ihre Partner*innen daher (unbewusst) danach aus, inwieweit sie ihnen diese Bestätigung bieten können.

"Narzisstische Menschen leiden unter einem verletzten Selbstwertgefühl, das sie hinter einer selbstbewussten Fassade verstecken", erklärt Dr. Wardetzki. "Dadurch wirken sie anziehend und attraktiv, sozial aufgeschlossen und eloquent." Doch diese Fassade sei dünn und rissig: "Sie suchen und brauchen die Bestätigung von außen, um sich wertvoll zu fühlen. Daher sind sie auch sehr schnell kränkbar, wenn die Bestätigung von außen ausbleibt", sagt Dr. Wardetzki. Das ist die so genannte narzisstische Kränkung.

Zwar können narzisstische Menschen bis zu einem gewissen Grad Anteilnahme und Mitgefühl ausdrücken, doch das bleibt zumeist oberflächlich. Sobald Frustration durch eine Kränkung erfolgt, bröckelt die Fassade. Und dann wird's hässlich.

Warum ist das ein Problem?

Menschen mit narzisstischer Veranlagung sind manipulativ. Anders können sie die zum psychischen Überleben nötige externe Lieferung von Selbstwert nicht gewährleisten. Das geht auf Kosten ihres Umfelds, vor allem der Menschen, die ihnen nahestehen – also Partner*innen, Familie, Kinder.

Sie lügen, betrügen, täuschen und gaslighten, um das Bild, das sie von sich erschaffen haben, um jeden Preis aufrechterhalten und ihre Bedürfnisse erfüllen zu können. Dabei täuschen sie sich übrigens auch selbst ganz hervorragend – ihnen fehlt die Fähigkeit, sich, ihr Verhalten und dessen Auswirkungen realistisch beobachten und einschätzen zu können. Und sie nutzen nahestehende Menschen für ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele aus. Das ist eine Form des emotionalen Missbrauchs.

Logisch, dass das keine guten Voraussetzungen für eine gesunde, stabile und glückliche Beziehung sind. "Narzissmus hängt immer mit einer Bindungsstörung zusammen, die sich dadurch auszeichnet, dass das Gegenüber solange anerkannt wird, wie es dem Ideal entspricht", erläutert Dr. Wardetzki.

In dem Moment jedoch, in dem der*die Partner*in diesem Ideal nicht mehr entspricht und sich nicht mehr konform verhalte, sehe er*sie sich laut Dr. Wardetzki massiven Entwertungen und Vorwürfen ausgeliefert. Das verletze und unterminiere das Selbstwertgefühl nachhaltig. Und das führe schließlich dazu, dass Partner*innen von narzisstischen Menschen sich immer schwächer und kleiner fühlen, dass sie glauben, nie genug und nicht viel wert zu sein und einfach alles falsch zu machen.

Und ganz ehrlich: So will und soll sich niemand fühlen müssen.

Auf Dauer kann eine Beziehung mit einem*einer Narzisst*in sogar regelrecht der Gesundheit schaden: "Lange in so einer Situation zu leben macht psychosomatisch krank: die Betroffenen leiden unter Schlafstörungen, Schmerzzuständen, Depressionen, Angst- oder Panikzuständen", wie Dr. Wardetzki sagt.

Das kannst du (nicht) tun

Die erste und wichtigste Frage im Club der Menschen, die sich in Narzisst*innen verliebt haben, lautet: Warum? Ja, okay – sie sind charmant und zauberhaft und schillernd und witzig. Aber dahinter steckt oft noch mehr, das Unterbewusstsein verliebt sich nämlich mit.

"Im Grunde kann der Charme narzisstischer Menschen auf jede Person wirken", sagt Dr. Wardetzki. Doch es seien vor allem selbstunsichere Menschen, die sich eine*n narzisstisch veranlagte*n Partner*in suchen – denn paradoxerweise fühlen sich sich zunächst selbst durch das charismatische, attraktive Gegenüber aufgewertet.

Je selbstsicherer ein Mensch sei, desto leichter falle es, das oft großspurige Auftreten von Narzisst*innen als Fassade zu erkennen und sich nicht auf eine enge Beziehung einzulassen.

Das heißt: Wenn du dein Herz an jemanden mit narzisstischer Veranlagung verloren hast, könnte deine eigene Unsicherheit durchaus dazu beigetragen haben. Und daran kannst du arbeiten.

Auch gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten, ist eigentlich ein sinnvoller Weg, um mit Problemen umzugehen und die Situation zu verbessern. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass beide gleichermaßen willens, bereit und fähig sind. Genau an der Stelle hapert es jedoch bei Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstruktur.

"Narzisstische Menschen sind in der Regel nicht bereit, ihren eigenen Anteil anzuerkennen und neigen dazu, alle Schuld und Verantwortung dem oder der anderen zu übertragen", sagt Dr. Wardetzki. Dadurch werde jede Form der Paarberatung oder Therapie voraussichtlich scheitern.

Wenn das der Fall ist, dann bleibe laut Expertin mitunter nur die Trennung: "Das ist insbesondere dann vonnöten, wenn die Beziehung so schwierig ist, dass sie nur noch leidvoll ist."

Denn niemand sollte sich in einer Beziehung komplett aufgeben und sich vollständig an den*die Partner*in und dessen*deren Bedürfnisse anpassen. Auch wenn der oder die andere noch so schön, sexy, lustig, klug und charmant ist. Auch, wenn die Trennung schwerfällt und der Gedanke daran, allein und eigenständig zu leben, furchteinflößend sein kann: Es lohnt sich. Du bist viel mehr als nur der Bestätigungslieferdienst für ein traumatisiertes Mini-Ego.

Ach, und keine Sorge um den*die narzisstische*n Verlassene*n – immerhin hat er*sie ja noch den Menschen, den er*sie am meisten auf der ganzen Welt liebt: sich selbst.