Du wachst auf und in der ersten Sekunde ist noch alles okay – bis die Realität auf deinen Brustkorb springt und dein Herz in Fetzen reißt. So geht das nach einer Trennung wochen-, manchmal sogar monatelang. Du denkst, du wirst niemals wieder etwas anderes fühlen als Schmerz und Leere. Und alles, was du dir wünschst ist: Mach, dass es aufhört.

Die gute Nachricht: Es wird aufhören. Versprochen.

Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch, dass du es gar nicht mitbekommst. Denn die Überwindung einer Trennung und des damit einhergehenden Liebeskummers passiert nicht in einem einzigen, kathartischen Seelen-Befreiungsschlag. Sie geschieht eher unauffällig und schleichend, fast so wie älter werden oder Haarwuchs.

Daran merkst du, dass du die Trennung verarbeitet hast:

Er*sie taucht nicht mehr in deinen Träumen auf. Das Gemeine ist: Träume kann man nicht steuern. Im Schlaf verarbeitet das Unterbewusstsein alle möglichen Dinge, natürlich auch die Trennung. Das Gute ist: Träume kann man nicht steuern. Wenn du nicht mehr von ihm*ihr träumst, ist dein Unterbewusstsein endgültig fertig damit.

Dein Glück hängt nicht mehr von ihm*ihr ab. Früher hingen emotionales Gedeih und seelisches Verderb von jedem Mimik-Zucken, jeder Aussage ab – von okay gelaunt zu am Boden zerstört in nur einer WhatsApp-Nachricht. Die Zeiten sind vorbei. Selbst wenn ihr noch Kontakt habt, schlägt dein Gefühlspendel dabei nicht mehr so heftig aus.

Dein Fokus ist wieder bei dir und auf dem, was du willst. Du gehst auf Veranstaltungen (oder eben nicht), weil du (nicht) hin willst. Und nicht, weil du hoffst oder fürchtest, ihn*sie dort zu treffen. Du hast auch alle seine*ihre Push-Benachrichtigungen in sozialen Netzwerken abgestellt. Interessiert dich einfach nicht mehr, du hast Wichtigeres zu tun.

Du bist wieder du selbst. Nach und nach kommt immer mehr von deinem ursprünglichen Selbst zum Vorschein. Dir fällt zum Beispiel ein, dass du schon seit Jahren eine vollkommen unmögliche Haarfarbe ausprobieren wolltest oder dass du Zelten ganz und gar verabscheuungswürdig findest.

Du sagst nicht mehr "Ich bin sooo drüber weg", du bist es einfach. Es gab eine Zeit, da hast du gespürt, dass deine Freunde es nicht mehr hören konnten. Und auch du selbst hast dich kaum noch ertragen. Das führte zu beschwichtigenden Mantras wie "Ach, das? Das ist vorbei! Ist auch besser so, wir haben eh nicht zusammengepasst" und so weiter. Das ist eine akzeptable Form der Verdrängung. Wenn du es dir und deinen Freunden nicht mehr regelmäßig vorbeten musst, hast du es geschafft.

Du findest endlich jemand anderen so richtig, richtig gut. Es kommt der Tag, an dem aus einem deiner unzähligen Barflirts mehr wird als eine Kneipenknutscherei. Du findest an deinem Gegenüber tatsächlich nichts auszusetzen, du lässt wieder Nähe zu. Und es macht dir keine Angst mehr.

Du siehst den fehlerbehafteten Menschen, nicht die idealisierte Version. Kurz nach der Trennung herrschte nur ein Gefühl vor: Ich will das wiederhaben, das war so schön! Aber früher oder später wird dir auffallen, dass selbstverständlich nicht alles ausschließlich wundervoll war. Er*sie hat dir nicht nur Songs von den Backstreet-Boys vorgesungen, sondern auch in deinem Beisein permanent auf sein*ihr Smartphone oder – wenn du ehrlich bist – auch oft genug anderen potenziellen Sexualpartner*innen hinterher gestarrt und gedacht, du würdest es nicht merken. Uncool.

Du glaubst nicht mehr, dass ihr seelenverwandt seid. Alles, was zwischen euch passierte, hatte eine tiefere Bedeutung? Nun ja. Mittlerweile weißt du: Man kann sich einem Menschen nah fühlen, ohne zwingend die einzig wahre zweite Hälfte dieser Person zu sein. Unser Bewusstsein neigt dazu, zwischen einzelnen Ereignissen Verbindungen herzustellen – auch, wenn es keine gibt. Und manchmal ist "Wir sind eben einfach seelenverwandt!" eventuell auch nur eine Ausrede für "Er*sie benimmt sich wie ein egoistisches Arschloch, aber ich komme trotzdem nicht von ihm*ihr los"...

Deine Gedanken kehren nicht unbewusst immer wieder zu ihm*ihr zurück. Es war wie verhext: Kaum hatte dein Kopf ein paar Minuten frei, schon tauchte er*sie automatisch vor deinem geistigen Auge auf. Rein routinemäßig. Doch irgendwann stellst du verblüfft fest, dass du tagelang nicht mehr an ihn*sie gedacht hast. Ein großer Erfolg.

Er*sie ist nicht mehr die erste Person, der du etwas etwas Aufregendes erzählen willst. Im Gegenteil: Der Gedanke kommt dir geradezu abwegig vor. Mittlerweile haben andere Menschen – gute Freund*innen, Familienmitglieder – die Lücke mehr als gefüllt.

Du hast seine*ihre Sachen weggeschmissen. Vorbei die verheulten Nächte im zurückgelassenen T-Shirt, raus mit der Zahnbürste und den Pärchenfotos aus dem Passbildautomaten! Okay, möglicherweise würdest du ihm*ihr, wenn er*sie von Moskau Inkasso oder den Nazgûl verfolgt würde und nachts vor deiner Tür stünde, tatsächlich noch Obdach gewähren. Aber das tätest du für die meisten Menschen, die du kennst – und die müssen auch alle ihre Zahnbürste selbst mitbringen.

Du stalkst nicht mehr im Netz. Du ertappst dich dabei, dass du sein*ihr Instagram-/ Facebook-/ Twitterprofil schon ewig nicht mehr angeschaut hast. Du warst zu beschäftigt mit deinem eigenen Leben. Kann höchstens sein, dass du aus reiner Langeweile noch mal reinklickst. Du fühlst nichts – keine Wut, keinen Schmerz. Und wenn du dir die Bilder anschaust, fragst du dich kopfschüttelnd:

Deshalb habe ich so gelitten?

Du entblockst ihn*sie und seine*ihre Neue*n auf Social Media. Weil es inzwischen schlicht nichts mehr bedeutet.

Das Ganze entbehrt, wenn man so will, unterm Strich nicht einer gewissen paradoxen Tragik. Wenn der Herzschmerz endlich vorbei ist, dann ist es dir egal, dass er vorbei ist. Und das ist der beste Beweis: Es ist wirklich vorbei.