ze.tt: Jans, du bist jetzt 20 Jahre alt und betreibst schon seit sechs Jahren deinen YouTube-Kanal einjans. Du bist quasi mit dem Format erwachsen geworden. Wie hat sich das auf die Themen, über die du sprichst, ausgewirkt?

Jans: Das Grundprinzip des Blogs ist gleich geblieben: Ich suche mir ein Thema heraus, das mich interessiert und rede darüber. Als ich mit 14 angefangen habe, waren das noch recht unterschiedliche Themengebiete: von Feminismus bis hin zu irgendwelchen lustigen Fragen, die ich mir gestellt habe. Mittlerweile bin ich in der Auswahl spezifischer geworden, weil mein eigener Anspruch gewachsen ist. Es reicht mir nicht mehr in drei Minuten eine grobe Meinung rauszulassen. Ich möchte das dann auch fundiert begründen können und gut recherchierte Videos machen. Da mir in den vergangenen Jahren queere Themen auch persönlich wichtiger geworden sind, mache ich mittlerweile viel dazu.

Du hast dich auch über deinen Kanal geoutet.

Genau, ich habe mich das erste Mal geoutet, da war ich 17 Jahre alt. Das war aber über Twitter und im Bekanntenkreis. Damals habe ich mich noch als genderqueer geoutet, weil ich selber noch in einer Selbstfindungsphase war. Vor circa eineinhalb Jahren habe ich mich dann auch auf YouTube als trans Mann geoutet und klargestellt, dass ich auch so genannt werden möchte.

Ich finde es bei queeren Themen oft einfacher mich auf Englisch auszudrücken. Im Deutschen fehlt mir da häufig das Vokabular.
Jans Nikolaus

Seit deinem Outing lädst du nur noch Videos hoch, in denen du Englisch sprichst. Was hat es damit auf sich?

Das hat zwei Gründe: Als ich 2019 damit angefangen habe, war ich grad ein knappes Jahr aus der Schule raus und hatte etwas Angst, dass ich durch den fehlenden regelmäßigen Unterricht verlerne, Englisch zu sprechen. Deshalb war das eine gute Möglichkeit in Übung zu bleiben. Der zweite Grund ist, dass ich es bei queeren Themen oft einfacher finde, mich auf Englisch auszudrücken. Im Deutschen fehlt mir da häufig das Vokabular für – es handelt sich ja meist um recht neue Wörter. Außerdem findet man dazu viel mehr Informationen auf englischsprachigen Kanälen. Abgesehen davon ist es auch cool, wenn man so Leute von überall erreichen kann.

Du sprichst in deinen Videos über Themen wie das Brustabbinden bei trans Männern oder darüber, ob es transphob ist, wenn man keine trans Menschen daten möchte. Was für Reaktionen bekommst du auf solche Videos?

Größtenteils habe ich da positive Erfahrungen gemacht. Da viele meiner Follower selber trans sind, interessieren sie sich halt auch für die Themen, die ich behandle. Bei etwas kontroverseren Themen, wie zum Beispiel dem Daten oder dem expliziten nicht Daten von tans Menschen, habe ich auch mal Kommentare bekommen, die ich nicht so toll fand. Das sind dann aber weniger vulgäre Kommentare als welche von Leuten, wo man eine transfeindliche Einstellung rauslesen kann. Nachdem ich vor einem Jahr bei Auf Klo zu Gast war, ist auch meine Community etwas angewachsen. Mit den neuen Followern kamen dann halt auch blöde Leute – das ist ja leider immer so.

Was ist damals passiert?

Das war so eine Art Mini-Shitstorm. Im Vergleich zu dem, was andere Leute erleben, war das nicht viel, aber über ein paar Wochen hinweg wurde ich viel beleidigt. Da war dann auch mal so etwas dabei wie: "Ich find raus, wo du wohnst und spreng dein Haus in die Luft". Schon heftige Sachen, aber das war dann auch nach ein paar Wochen wieder rum. Kurz habe ich mich gefragt, ob ich das wirklich weitermachen möchte. Mir war dann aber schnell klar, dass ich das natürlich weitermachen möchte. Deshalb mach ich es ja, um diese Leute zu entkräften.

Ich als trans Mann habe zum Beispiel ein extremes Problem mit meiner Brust.
Jans Nikolaus

Ein Thema, was bei dir wiederkehrt ist Dysphorie. Warum ist dir das so wichtig?

Gender dysphoria oder Geschlechtsdysphorie ist das Unwohlsein, das trans oder nicht-binäre Menschen oft empfinden. Das kann sich körperlich äußern, indem man sich unwohl wegen äußerlicher Merkmale fühlt. Ich als trans Mann habe zum Beispiel ein extremes Problem mit meiner Brust. Das ist etwas, das mich noch als weiblich erkennbar macht, obwohl ich ja genau so nicht gesehen werden will. Auch wegen der primären Geschlechtsorgane fühlen sich viele unwohl oder dem fehlenden Bartwuchs und einer zu hohen Stimme, wie in meinem Fall. Dann gibt es auch noch die soziale Dysphorie, die sich äußert, wenn andere mich beispielsweise immer noch als Frau ansprechen oder unter meinem alten Namen. Das macht mir extrem zu schaffen, ich fühle mich dadurch unwohl und falsch.

Wie geht man dann damit um?

Um die Dysphorie loszuwerden oder eben zu verringern, machen manche eine Transition oder ändern ihren Namen. Bei einigen kann auch schon ein Coming-out helfen. Da muss jeder für sich selbst finden, was ihm am besten hilft.

Weißt du schon, was dir helfen würde?

Ja, ich habe vor einem halben Jahr meine Vornamen- und Personenstandsänderung beantragt. Ich bekomme dann hoffentlich demnächst meinen neuen Ausweis mit dem richtigen Namen und dem richtigen Geschlechtseintrag. Außerdem werde ich auch hoffentlich noch dieses Jahr meine Mastektomie – die Entfernung der Brust – haben. Ich befinde mich außerdem in Therapie, damit mir der Therapeut eine positive Indikation für eine Hormonbehandlung schreibt. Dadurch wird dann eine männliche Pubertät herbeigeführt, so dass ich in den Stimmbruch komme und mir ein Bart wächst.

Niemand außer einem selbst kann beurteilen, wie die eigene Geschlechtsidentität ist.
Jans Nikolaus

Auf der diesjährigen Tincon, der Konferenz für digitale Jugendkultur, hast du darüber gesprochen, warum das Transsexuellengesetz "scheiße" ist. Was kritisierst du?

Meiner Meinung nach verletzt das Transsexuellengesetz das Recht auf Selbstbestimmung. Es regelt erstmal nur die bürokratischen Maßnahmen, das heißt die Vornamen- und Personenstandsänderung. Der ganze Prozess ist erstens sehr teuer – ich selbst habe bisher 1.600 Euro ans Amtsgericht dafür gezahlt. Außerdem braucht man zwei voneinander unabhängige psychologische Gutachten, die sozusagen beweisen, dass man wirklich trans ist. Einer meiner Gutachter ist mein regulärer Therapeut, das macht es ein wenig unkomplizierter. Den zweiten habe ich gestellt bekommen. Bei dem war ich vor Kurzem zum ersten Mal; da durfte ich mich dann in zwei, drei Stunden emotional nochmal komplett nackig machen. Anhand dieser einen Sitzung schreibt der dann das Gutachten fürs Gericht, anhand dessen dann entschieden wird, ob Namen- und Personenstand geändert werden dürfen.

Meine Kritik daran ist, dass im Grunde niemand außer einem selbst beurteilen kann, wie die eigene Geschlechtsidentität ist. Es ist halt eine krasse Glückssache an wen man gerät. Es gibt solche, die sagen, wenn du das sagst, dann wird das so sein – du musst dich dafür jetzt nicht vor mir rechtfertigen. Dann gibt es aber auch welche, die haben ganz spezielle geschlechtsstereotypische Vorstellungen. Wenn ich dann zu dem Termin im Kleid käme, weiß ich nicht, ob mein Gutachter das irgendwie gegen mich verwenden könnte. Dabei sollte das ja eigentlich keine Rolle spielen.

Dieses Gesetz schreibt quasi einen richtigen Weg vor, trans zu sein, obwohl das natürlich jeder anders erlebt.
Jans Nikolaus

Dieses Gesetz schreibt aber quasi einen richtigen Weg vor, trans zu sein, obwohl das natürlich jeder anders erlebt. Das finde ich diskriminierend. Alles in allem ist dieses Gesetz halt auch von 1981 – das sind fast vierzig Jahre – da wäre es mal an der Zeit was dran zu ändern. Man muss trans Personen irgendwie mehr vertrauen. Es geht in diesem Fall ja nicht um eine unumkehrbare Veränderung, es geht nur um eine Veränderung auf dem Papier. Es geht nicht um medizinisches, das ist nochmal ein anderes Thema, da würde ich die Diskussion zumindest verstehen, auch wenn ich da auch ein paar Änderungen gut fände.

Aber meinst du nicht, dass therapeutische Unterstützung bei so einem Prozess auch hilfreich sein kann? Gerade, wenn es auch um körperliche Maßnahmen geht.

Ja, da stimme ich dir grundsätzlich zu. Ich habe auch immer klar gesagt, dass ich keine Hormontherapie beginnen würde, ohne vorher eine Therapie gemacht und mir das wirklich genau überlegt zu haben. Viele Leute sehen das auch ähnlich, weil so eine Therapie ja auch ein Unterstützungsangebot sein kann. Problematisch ist aber, dass es eine Voraussetzung ist, gewisse Sachen genehmigt zu bekommen. Durch den Zwang geht der unterstützende Charakter verloren. Nicht alle haben das Gefühl hundertprozentig ehrlich sein zu können, weil es im Endeffekt von der Einschätzung des Therapeuten abhängt. Dementsprechend dient diese Therapie oft eher zur Rechtfertigung als zur Hilfe.

Bei mir ist das nicht so, aber ich habe das schon von vielen so mitbekommen. Das finde ich dann kontraproduktiv und vor allem auch extrem demütigend für die betroffenen Leute. Es ist halt auch schwer einen Therapeuten zu finden, mit dem man gut arbeiten kann. Das kann dauern und manche haben doch auch Zeitdruck, weil es ja dein ganzes Leben irgendwie verzögert. Ich bin mittlerweile 20 und war sozusagen immer noch nicht in der richtigen Pubertät. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass mir der langwierige Prozess meine Jugend nimmt. Anderen geht es ähnlich, weil es für uns ja lebensnotwendig ist.