Aristoteles, Plato, Descartes: Lange tot und heute irrelevant? Mitnichten. Was die alten Philosophen schrieben, lesen Studierende und Menschen mit viel Zeit bis heute. Im Open Syllabus Project können wir jene Werke herausfiltern, die an den Universitäten besonders häufig gelesen werden.
Für das Projekt haben Entwickler und Wissenschaftler um Joe Karaganis von der Columbia University mehr als eine Million Leselisten von Uni-Kursen in eine Tabelle gepackt, nach Hochschulen und Studiengebiet sortiert, Tippfehler korrigiert und Schreibweisen vereinheitlicht. Noch immer sei der Datensatz bestenfalls "dirty", dreckig, sagte Karaganis im Januar zu Quartz.
Aus dem Ergebnis entwickelten die Statistiker*innen einen Teaching Score ("TS"). Dieser Wert sagt, wie wichtig ein Werk in der universitären Lehre ist und soll auch für die Autoreninnen und Autoren relevant sein.
Auffällig ist jedoch: Viele philosophische Werke stehen weit oben in der Rangliste. Wer Lust hat, sich in die wichtigsten einzulesen, bitteschön:
Das sind die meistgelehrten philosophischen Werke
Aristoteles: Ethik
Worum geht's? Wir Menschen wollen glücklich werden und sonst nichts. Das erreichen wir durch tugendhaftes Handeln.
Wann hat er das geschrieben? Im 4. Jahrhundert vor Christus
Warum ist das heute noch so wichtig? Weil wir glücklich leben wollen. Aristoteles gibt dazu eine Anleitung, die sich über mehr als 2000 Jahre bewährt hat.
Wo kann ich das lesen?
John Stuart Mill: Utilitarismus
Worum geht's? Grundthese: Eine Handlung ist gerechtfertigt, wenn sie das Glück fördert. Schmälert oder bedroht sie es, dann ist sie falsch. Glück ist Freude, die Abwesenheit von Schmerz.
Wann hat er das geschrieben? 1861 (veröffentlicht)
Warum ist das heute noch so wichtig? Weil es um die Frage nach "Richtig oder Falsch" geht. Sie treibt uns auch heute noch um. Beispiele sind die Präimplantationsdiagnostik, Sterbehilfe, Steuerhinterziehung. Mills Werk gibt Denkanstöße, um mit diesen Fragen besser klarzukommen.
Wo kann ich das lesen? Als
Reclam-Heft, hier auch
Platon: Politeia
Worum geht's? Zehn Bücher lang streitet sich der Platon mit anderen Männern, die meisten der Dialoge sind frei erfunden. Zunächst geht es um Gerechtigkeit, später kommt ein System zum idealen Aufbau eines Staates dabei heraus.
Wann hat er das geschrieben? Im 5. Jahrhundert vor Christus
Warum ist das heute noch so wichtig? Wir beschäftigen uns jeden Tag mit der Frage nach Gerechtigkeit. Es geht um Geflüchtete, um Bildung, um Armut, um Chancen im Leben.
Wo kann ich das lesen? Im
Reclam-Heft oder – zusammen mit allen anderen Werken – im
René Descartes: Meditationen über die erste Philosophie
Worum geht's? Descartes stößt sein Weltbild um und geht pauschal davon aus, dass alles, was er bislang geglaubt hatte, falsch ist. Inklusive seinem Körper, seinem Bewusstsein, der Welt und dem, was seine Augen sehen. Er zweifelt an den Grundsätzen von Mathematik und Wissenschaften. Und darum geht es: um den methodischen Zweifel.
Wann hat er das geschrieben? 1641 (veröffentlicht)
Warum ist das heute noch so wichtig? Weil wir viel öfter zweifeln sollten. Descartes zweifelt an allem, nur nicht am Ich. Merksatz: Ich denke, also bin ich. Über alles andere sollten wir viel öfter nachdenken.
Wo kann ich das lesen? Im
Platon: Dialoge
Worum geht's? Platon hat sich um ziemlich vieles gestritten – in der Regel mit sich selbst, in den Dialogen fiktiv vertreten durch Menschen, die er kannte. Um die Liebe zum Beispiel, Eros, die Wahrheit und das Schöne, die Lehrbarkeit der Tugend und die Unsterblichkeit der Seele.
Wann hat er das geschrieben? Im 5. Jahrhundert.
Warum soll ich das lesen? Es ist unterhaltsam! Platon nennt Definitionen für Begriffe und seziert sie philosophisch, bis sich ein Widerspruch findet.
Wo kann ich das lesen? Sieben Wälzer gibt es
hier, wer sich erstmal einlesen will:
Platon: Die Apologie des Sokrates
Worum geht's? Die Apologie lehnt sich an jene Rede an, die Platons Lehrer Sokrates vor einem Volksgericht in Athen hielt. Angeklagt war er wegen Gottlosigkeit, verurteilt wurde er trotz seiner Rede. Ist sie originalgetreu wiedergegeben? Weiß man nicht.
Wann hat er das geschrieben? 399 vor Christus.
Warum ist das heute noch so wichtig? Sie ist vor allem interessant. Sokrates' Rede beeindruckt in ihrer Struktur, wie auch in ihrem Inhalt – immerhin der Verteidigung eines Unschuldigen.
Wo kann ich das lesen? Direkt im
Browser, so lang ist sie ja nicht.
Immanuel Kant: Die Metaphysik der Sitten
Worum geht's? Kant gründet jedes Recht auf das Recht auf die Freiheit für alle Menschen. In seiner Tugendlehre geht es um körperliche, geistige und moralische Vollkommenheit – und um das Glück der Gemeinschaft.
Wann hat er das geschrieben? 1797 (veröffentlicht)
Warum ist das heute noch so wichtig? Weil er Pflichten und Tugenden auf Basis der Vernunft herleitet.
Wo kann ich das lesen? Im
Browser oder als
Buch.
Jean Paul Sartre: Existenzialismus
Worum geht's? Wir sind durch Zufall in unser Leben geworfen worden, jetzt müssen wir zusehen, wie wir damit klarkommen – und zwar sinnvoll.
Wann hat er das geschrieben? 1946
Warum ist das heute noch so wichtig? Generation Y.
Wo kann ich das lesen? Im Buch mit anderen
Thomas Hobbes: Leviathan
Worum geht's? Ohne Staat wären wir alle frei – und deshalb würde auch kein Staat mehr existieren, weil ein Überlebenskampf aller gegen alle ausbräche. Dies bezeichnet Hobbes als Naturzustand. Über den Menschen steht deshalb der Staat, ein strafender Leviathan. Auf ihn einigen sich die Menschen in einem Gesellschaftsvertrag.
Wann hat er das geschrieben? 1651 (veröffentlicht)
Warum ist das heute noch so wichtig? Weil wir uns über das Verhältnis des Staates zu unserer persönlichen Freiheit ständig streiten. Und wir neu entscheiden müssen, in welchem Verhältnis die beiden für uns stehen sollen, auch mit Blick auf die Sicherheit.
Wo kann ich das lesen? Im
David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand
Worum geht's? Hume geht von einer Philosophie des Bewusstseins aus – wir nehmen etwas wahr und darauf fußen unsere Ideen. Grundlage können dabei sowohl Vorstellungen sein, also Gedankenexperimente, als auch tatsächlich Erlebtes.
Wann hat er das geschrieben? 1748 (veröffentlicht)
Warum ist das heute noch so wichtig? Okay, ist es nicht wirklich. Aber wie er unser Denken und Lernen erklärt, das ist tatsächlich sehr spannend.
Wo kann ich das lesen? Gibt's als
Buch und
Aristoteles, Plato, Descartes: Lange tot und heute irrelevant? Mitnichten. Was die alten Philosophen schrieben, lesen Studierende und Menschen mit viel Zeit bis heute. Im Open Syllabus Project können wir jene Werke herausfiltern, die an den Universitäten besonders häufig gelesen werden.
Für das Projekt haben Entwickler und Wissenschaftler um Joe Karaganis von der Columbia University mehr als eine Million Leselisten von Uni-Kursen in eine Tabelle gepackt, nach Hochschulen und Studiengebiet sortiert, Tippfehler korrigiert und Schreibweisen vereinheitlicht. Noch immer sei der Datensatz bestenfalls "dirty", dreckig, sagte Karaganis im Januar zu Quartz.