Neulich habe ich mich mit einer Freundin zum Essen verabredet. Ich wollte kochen – sie wollte essen gehen. Im neuen Bio-Restaurant, das sei gemütlicher. Ich dachte: "Schade", wollte aber auch nicht rebellieren. Wir saßen uns also im hippen Imbiss gegenüber, als sie rief : "Stopp! Ich muss das noch fotografieren!" Da hatte ich keine andere Wahl: Ich musste mich schämen.

Der Öko-Lifestyle legt eine steile Karriere hin. Alle verkünden, dass sie jetzt nur noch bio, fair und saisonal einkaufen. Wer sich als besonders öko hervortun will, hat vor, "Purple Haze"-Karotten auf dem Balkon anzubauen und fleißig für den Winter einzukochen. Werden diese Pläne durchgezogen? Ich hab da meine Zweifel.

Mehr Profilierung als alles andere

Ich stimme zu, dass die Anzahl der Hashtags à la #plantbased #vegan exponentiell wächst, dass das (in Plastik verpackte) Bio-Angebot bei REWE und Edeka größer wird und wir alle ein bisschen mehr auf unsere Ernährung gucken. Doch ich bezweifle, dass Menschen es wirklich ernst meinen.

Im Grunde finde ich den Trend ja gut: Wenn der Durchschnittshipster wirklich mehr täte, als seine Mahlzeit bloß zu kochen, um ein Foto davon ins Netz zu stellen. Es geht mehr um die Inszenierung des supergesunden Essen, als um kulinarische Gewissenhaftigkeit. Es geht um Klicks und Aufmerksamkeit im Netz. Der Lifestyle tritt in den Vordergrund, das wahre Interesse an unseren Lebensmitteln versteckt sich hinter der Smartphone-Kamera. Die ökologische und ethische Verantwortung, die wir tragen, bleibt eine Nebensache.

Trotz allen Bewusstseins beobachte ich, wie wir bei Netto um die Ecke shoppen gehen, weil der bis 24 Uhr auf hat. Noch schnell die Tiefkühl-Salamipizza in den Einkaufswagen, heute Abend bleibt wieder keine Zeit zum Kochen. Dabei wissen wir doch, was da für ungesunde Sachen drin sind.

Mit Erschrecken sehe ich, dass Essensboten wie foodora, Lieferheld und Lieferando immer mehr Kunden gewinnen. Sie feiern Siegeszüge, indem sie fertiges Essen in Boxen durch die Straßen heizen und Haushalte damit beliefern. Wenn es nämlich darum geht, schnell seinen Hunger zu stillen, gelten andere Spielregeln. Warum? Weil wir das kochen verlernt und die Muße verloren haben, wenn es nicht um unsere Selbstdarstellung im Netz geht.

Macht euch nicht lächerlich

Investierten wir die Zeit, die wir uns für den Instagram-Account nehmen, ins Kochen, dann gewönnen wir Muße für unsere ausgewogene Ernährung. Und Souveränität! Denn je mehr wir mit frischen Lebensmitteln kochen, desto unabhängiger machen wir uns von den Herstellungsmethoden großer Lebensmittelkonzerne – die wir sowieso nicht durchschauen.

Ich möchte den Bio-Trend nicht verurteilen, denn er geht in die richtige Richtung. Doch seine Verfechter machen sich lächerlich, wenn sie ihn nicht ernst nehmen.

Deswegen plädiere ich dafür: Lernt wieder zu kochen, schaut euch an, wo eure Lebensmittel herkommen, nehmt eure Ernährung selbst in die Hand. Schenkt euren Freunden doch mal einen Kochkurs oder ladet sie zum Essen ein. Pflanzt einen Tomatenstrauch und erfahrt, woraus die Tomatensauce auf eurer Pizza besteht. Es lohnt sich.

Das nächste Mal werde ich rebellieren: Indem ich die Freundin zum Essen in meine Küche einlade.