Vor dem Zusammenziehen ist vor der Bettflaute! Das klingt jetzt vielleicht überzogen, aber es ist ein Thema in meinem Endzwanziger-Freundeskreis. Die erste gemeinsame Wohnung war für die meisten der nächste logische Schritt in ihrer Beziehung. Es ist praktischer, günstiger und auch ein schöner Gedanke, alles miteinander zu teilen. Eigentlich sind Pärchen, die sich für das Zusammenwohnen entscheiden, zu beglückwünschen – das ist ein aufregender Schritt in einen neuen Lebensabschnitt.

Zu Beginn dachte ich, zusammen wohnen heißt: Sich öfter sehen, mehr Sex haben. Doch irgendwie hat sich das Verhältnis umgedreht – wir hatten sogar weniger Sex. Dieser Text ist kein Rant gegen das Zusammenziehen, aber häufig werden die Konflikte, die die gemeinsame Wohnung bringt, in der ersten Euphorie unterschätzt.

Was macht uns sexless: Aufeinanderhängen

Wer zusammen wohnt, muss sich nicht mehr verabreden, kann sich spontaner und eigentlich immer sehen. Gleichzeitig aber bleibt damit bewusste Eigenzeit auf der Strecke. Es fühlt sich anfangs so an, als würde ein Teil der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit verloren gehen.

Mein Freund bekam automatisch mehr von mir mit. Ich kam nach Hause und ein Fragenhagel prasselte auf mich ein: Wo warst du, wie war dein Tag, was hast du gemacht? Es hat ihn einfach interessiert. Dass ich nach der Arbeit am liebsten die ersten halbe Stunde allein und schweigend verbringe, mochte ich ihm zunächst nicht sagen. Die herbeigesehnte Nähe wurde mir auf einmal zuviel. Auf Sex hatte ich dann erst Recht keine Lust.

Mein Tipp, um sich nicht zu erdrücken und auch weiterhin Lust aufeinander zu haben: Lernen, Autonomie zu behalten. Nimm dir Zeit für dich allein. Ein Abend in Ruhe lesen, baden, nachdenken oder Freunde treffen. So steigert sich auch der Wert der gemeinsamen Beziehungszeit, wenn sie bewusst und nicht als selbstverständlich wahrgenommen wird.

Streiten über Haushalt ist ein Lustkiller

Die meisten Menschen haben vor dem Zusammenziehen in WGs gewohnt und kennen die Streits über verklebtes Geschirr, vergammelte Lebensmittel, Wohnungsputz und Wäscheberge. Das ist aber kein Vergleich zu Beziehungsstreits über Verantwortlichkeiten im Haushalt. Als ich noch nicht mit meinem Freund zusammengelebt habe, konnte ich über so vieles hinwegsehen, über die T-Shirt-Berge auf dem Fußboden, Tellerstapel und dass er immer alle Fenster aufreißt und vergisst zu schließen. Ihm hingegen war nicht klar, wie viele Haare ich tatsächlich verliere, dass ich am liebsten mit Straßenschuhen durch die Wohnung latsche und nie Bock auf Wischen und Staubsaugen habe.

Aber wir wollten dem andern nichts vorschreiben und keine spießigen Regeln festlegen. Und es sollte doch alles entspannter werden als in der WG. Der Streit über unerledigten Hausputz ist einer der größten Lustkiller. Nach Hause kommen, erst mal duschen und essen wollen und feststellen: Es sind weder Nahrungsmittel noch saubere Handtücher da. Das hat mich nicht dazu gebracht, zu denken: "Ja und jetzt noch mal eine Runde vögeln auf deinen dreckigen Unterhosen von vor vorletzer Woche!" No thanks.

Im partnerschaftlichen Zusammenleben sollten bestimmte Dinge grundsätzlich geklärt und festgelegt werden – wer macht was, was geht und was geht echt gar nicht, wo kann man einen Kompromiss finden. Beide müssen Zugeständnisse machen, sonst geht es nicht. Meine Erfahrung war: Sobald mein Freund und ich uns über Grundsätzliches einig waren und Rücksicht genommen haben, kam auch die Leidenschaft wieder zurück. Manchmal auch einfach nur, weil ich direkt bessere Laune hatte, weil er die leeren Bierflaschen vom Vorabend runtergebracht hatte und kein Fruchtfliegenschwarm in der Küche kreiste. Klingt simpel? Ist es auch.

Trägheit und Bequemlichkeit führen zum Sex-Tod

Schon mal Sex gehabt mit vollem Pizzabauch in Jogginghose auf der Couch? Ich jedenfalls nicht. Arbeiten ist viel toller als Studieren, weil auf dem Kontoauszug plötzlich schwarze Zahlen erscheinen. Allerdings ist nach einem Neun-Stunden-Tag Abhängen auf der Couch plötzlich nicht nur etwas, das man am Kater-Tag macht, sondern der Lichtblick am Ende des Bürotunnels. Auf einmal fühlt sich der Gedanke an Sex eher an wie: "Ich müsste eigentlich noch ins Fitnessstudio." Der träge Couch-Abend kann zum Sex-Tod führen.

Daher mein Tipp: Auch mal wieder runter vom Sofa. Müdigkeit überwinden, raus aus der Kekshose und einen Wein trinken gehen. Ich habe festgestellt: Auch, wenn wir sehr platt waren, stieg die Sex-Wahrscheinlichkeit, nachdem wir mit dem Rumgammeln aufgehört hatten. Natürlich brauchen wir auch diese faulen Abende. Aber meine Erfahrung ist, dass es insgesamt hilft, aktiv zu sein. Nach einem schönen Abend in der Bar stehen die Chancen auf Sex einfach viel höher.

Sich verabreden hilft

Vor dem Zusammenziehen habe ich mich an ein paar Tagen die Woche mit meinem Freund getroffen und irgendwie war klar, dass wir dann auch meistens Sex hatten. Bevor wir zusammengezogen sind, haben wir uns keine großen Gedanken darüber gemacht, wie oft wir dann miteinander schlafen werden. Zunächst haben wir uns ausgemalt, wie toll es sein würde, ungestört von WG-Mitbewohner*innen und der Familie überall, zu jeder Zeit und in jeder Lautstärke rumzumachen – im Bad, auf dem Küchentisch oder der Waschmaschine.

Doch die Realität hat schnell gezeigt: Dafür müssen wir beide überhaupt erst einmal zur selben Zeit zu Hause und wach sein. Wir sehen uns nämlich gar nicht so oft, wie wir gedacht haben, sondern netto sogar weniger als vorher. Wir verabreden uns nicht mehr und nehmen uns dadurch auch weniger bewusste Zeit füreinander. Auch die Möglichkeit, immer Sex haben zu können, hilft nicht weiter. Denn aus "Nicht jetzt, geht ja auch noch später" wird leicht "Okay, morgen oder übermorgen" und dann vielleicht doch erst nächsten Sonntag.

Wir mussten also erst mal lernen, wie wir uns arrangieren. Wann haben wir überhaupt Sex? Und auch damit klarkommen, dass es in Ordnung ist, wenn der andere mal keine Lust hat. Das kommt jetzt gefühlt häufiger vor, weil wir uns öfter sehen. Es hilft außerdem, sich für einen schönen Abend zu zweit zu verabreden und sich eben nicht nur zufällig in der gemeinsamen Wohnung zu begegnen. Das mag unromantisch klingen, aber vor dem Zusammenleben hat es eben genau so funktioniert.

Es kann auch zu viel Nähe geben

Über das Thema Nähe in Partnerschaften lässt sich streiten und es gibt zig verschiedene Meinungen darüber. Gibt es überhaupt so etwas, wie zuviel Nähe? Ich finde: Ja, das gibt es. Mein Freund und ich sind sehr eng miteinander, wir kennen uns seit vielen Jahren und sind auch die besten Freunde. Gerade deshalb will ich meinen Partner nicht immer in allen Lebenslagen sehen. Ich will nicht dabei sein, wenn er auf Toilette geht, sich die Fußnägel abknipst oder dass er neben mir ins Bett pupst. Und noch viel weniger möchte ich, dass er diese Dinge von mir mitbekommt. Für mich gibt es da Grenzen, so konserviere ich unser Kribbeln. Wir kennen uns sowieso schon in- und auswendig. Ich finde, es ist überhaupt nicht nötig, ihn auf der Kloschüssel zu beobachten.

Meine persönlichen Grenzen in der gemeinsamen Wohnung aufrechtzuerhalten, war viel schwieriger als gedacht. Aber für mich sind sie notwendig, um die Leidenschaft zu bewahren. Also haben wir beschlossen, dass es Badregeln gibt, dass man dem anderen zu verstehen gibt "Ich bin jetzt für unbestimmte Zeit nicht da", in dem Fall eben im Bad. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Hauptsache, beide fühlen sich mit den gezogenen Schamgrenzen – oder eben ganz grenzenlos – wohl.

Achtet auf die Bedürfnisse eurer Partner*innen

Ein grundsätzliches Problem, das in fast allen Partnerschaften, die ich kenne, irgendwann mal aufkam: nicht mehr zuhören. Meine Freundin hat es mal so zusammengefasst: "Warum sollte ich Sex mit jemanden haben, dem meine Bedürfnisse egal sind?" Und es stimmt, ob Bedürfnisse im Alltag oder im Schlafzimmer – ich will das Gefühl haben, dass ich gehört und ernst genommen werde. Das dürfte wohl den meisten Menschen so gehen.

Vielleicht ist das ein allumfassender Ratschlag: Hört einander zu. Was braucht mein*e Freund*in? Nichts ist schöner, als sich im Bett fallen lassen können, weil man sich nicht darüber aufregt, wer im Haushalt mehr oder weniger macht, weil man eben nicht zuvor die Laune aneinander ausgelassen hat, weil man sich trotz und wegen des unglamourösen gemeinsamen Alltags respektiert und wertschätzt.

Ja, das Leben zu zweit ist nicht von Anfang an automatisch großartig. Aber es kann großartig werden.

Die Autorin wollte anonym bleiben.