No Shirt – No Service hieß es vergangenes Jahr an vielen Bars der Fusion. Und auch dieses Jahr beginnt mit dem Auftakt der Festivalsaison wieder die mittlerweile altbekannte Diskussion: Dürfen sich Männer auf Partys oben ohne bewegen? Nein, lautet die Regel vielerorts. Aus Solidarität. Denn die Übersexualisierung nackter Brüste, konsequentes Sperren weiblicher Nippel im Netz und sogar gesetzliche Regelungen sorgen dafür, dass der nackte weibliche Oberkörper wesentlich weniger toleriert wird als der männliche.

Als Folge verbieten Veranstalter*innen nun immer häufiger Männern, ihre Oberteile auszuziehen. Manchmal muss eben ein Schritt rückwärts gemacht werden, damit gemeinsam einer vorwärts gegangen werden kann, so argumentiert man. Hier steht hedonistische, zwanglose Feierkultur einer repressiven politischen Maßnahme gegenüber. Das sorgt für Konfliktpotenzial. Wir haben uns nach eurer Meinung dazu umgehört:

Julius (22)

"Ich finde die Regelung prinzipiell gut. Ich würde es auf meinem eigenen Festival persönlich nicht so handhaben, aber ich habe auch nichts dagegen. Neulich bin ich allerdings beim Feiern in einem Club in Berlin mit offenem Hemd herumgelaufen. Als der Türsteher vorbeilief, forderte er mich sofort auf, mein Hemd zuzumachen. Das fand ich dann schon etwas überzogen. An sich kann ich die Forderung aber durchaus nachvollziehen und bin gern bereit dazu, aus Solidarität mein Shirt anzubehalten."

Leandro (22)

"Ich finde darüber muss man gar nicht erst diskutieren – solche Verbote halte ich für Quatsch. Jeder Mensch sollte für sich selbst entscheiden und für sein Handeln Verantwortung tragen können. Ich halte solche Verbote nicht für zielführend."

Florina (23)

"Für mich ist das Verbot ein Schritt in die richtige Richtung, da Frauenkörper immer noch objektiviert werden. Es wäre nicht das Gleiche, wenn sich eine Frau oben ohne in der Öffentlichkeit zeigen würde, und solange unser Geschlecht bestimmt, wie unsere Körper angeguckt und bewertet werden, finde ich die No-Shirt-No-Service-Regel eine gute Idee."

Laura (20)

"Also ich mag nackte Männeroberkörper! Die würde ich auch weiterhin gerne sehen! (lacht) Aber das eigentliche Problem ist ja die Sexualisierung des weiblichen Körpers. Schon kleinen Mädchen zieht man Bikini-Oberteile an und symbolisiert ihnen – du darfst dich nackt nicht zeigen. Obwohl sie noch nicht einmal Brust haben. Da sollten man vielleicht eher ansetzen. Wie wohl man sich in seinem Körper und mit seiner Nacktheit fühlt, hängt schließlich auch immer vom Umfeld ab. Wenn man jetzt Männern die Nacktheit verbietet, ist das ja eigentlich einfach nur eine weitere Verprüdung. Stattdessen sollten wir dem weiblichen Körper mehr Selbstverständlichkeit geben und allen Menschen Sicherheit und Respekt bieten."

Chily (55)

"An sich habe ich keine Meinung diesbezüglich, wenn es aber hilft, Bademeister und Muskelprotzer dazu zu bringen, angezogen zu bleiben, begrüße ich die Regelung."

Lotte (20)

"Der Beginn des Sommers ist für mich tatsächlich geprägt von diesem Thema. In meinem Job als Fahrradkurierin begegne ich ständig Männern, die oben ohne in der Stadt herumfahren, und empfinde es als wahnsinnige Provokation, weil es für mich de facto nicht möglich wäre. Natürlich wäre es cooler, wenn wir es einfach gleich schaffen, Frauen zu ermöglichen, sich genauso frei zu fühlen wie Männer, aber das funktioniert nun mal nicht so schnell. Bis dahin finde ich es gut, wenn Männer auch mal spüren wie es ist, nicht komplett frei mit seinem Körper umgehen zu können. Durch solche Maßnahmen wird Aufmerksamkeit auf die Problematik gelenkt, und das scheint in meinen Augen ziemlich notwendig."

Catharina (39)

"Ich halte die Regel für einen guten Schritt auf dem Weg zum Ziel. Vielleicht schafft man so bei Männern mehr Empathie dafür, mit welchen Einschränkungen wir Frauen leben. Dann hat man auf jeden Fall etwas erreicht."

Rosali (20)

"Ich verstehe die Idee dahinter, aber halte Festivals für den falschen Ort. Wenn dann sollte die Regel vielleicht für die Öffentlichkeit, auf der Straße gelten, wo die Ungerechtigkeit real ist, aber gerade auf Festivals sollte doch jede*r sein können, wie er*sie möchte. Außerdem halte ich die Regel ganz pragmatisch gedacht nicht für sinnvoll: Wenn alle angezogen bleiben, fühle ich mich noch unwohler dabei mich auszuziehen, also ist damit eigentlich Gegenteiliges erreicht."

Anna & Fox (22)

"Generell ist es natürlich erstrebenswert, dass jegliche Formen von Sexismus auch in der Kleidungsfrage thematisiert und bekämpft werden. Schlichtweg ein Verbot auf das andere Geschlecht zu übertragen, löst unserer Meinung nach aber nicht im Ansatz das Problem von strukturellem Sexismus. Dennoch kann die Kampagne als Appell verstanden werden, dass für eine strukturelle Gleichberechtigung alle Geschlechter gleichermaßen einbezogen, sensibilisiert und zum solidarischen Handeln verpflichtet werden müssen. Inwiefern eine Kampagne aber zu einer Auflösung der vorherrschenden Machtgefälle führen soll, ist fraglich und wird sicher nicht zu struktureller Gleichberechtigung führen. Das ist ein weitaus größerer Kampf!"

Jolan (22)

"Ich hab mir da tatsächlich schon öfter Gedanken drüber gemacht. Ich verstehe auf jeden Fall, warum sich Frauen da nicht gleichberechtigt fühlen. Ich denke aber, dass ein Verbot der falsche Ansatz ist, um das Ziel zu erreichen, dass sich alle ausziehen können und damit wohlfühlen, das wäre ja erstrebenswert. Was haben wir davon, wenn sich am Ende niemand mehr ausziehen kann, obwohl es ja viele vielleicht gerne wollen? Andererseits ist es vielleicht auch gut und wichtig, die Debatte so provokativ anzustoßen, um mehr Aufmerksamkeit auf diese Ungerechtigkeit zu lenken. Ich finde den Lösungsweg vom Verbot falsch, habe aber selber nicht wirklich einen besseren. Wir müssen auf jeden Fall dafür sorgen, dass es im kleinen Rahmen, zum Beispiel auf Festivals möglich ist, so herumzulaufen, wie man möchte, eben auch nackt. Also ganz klar zu sagen: Wenn jemand glotzt oder dumme Kommentare abgibt, dann gibt es Konsequenzen, zum Beispiel ein Ausschluss. Und wenn das akzeptiert ist, dann lässt sich das vielleicht auch einfacher auf die Gesamtgesellschaft übertragen, außerhalb dieser Rahmen."